February 6, 2020 Gabi Hegan
Lebenslinien: Karsten Staiger, verliebt in New York und ohne Höhenangst
Seit der im Schwarzwald geborene Fotograf vor 25 Jahren in die USA auswanderte, hat er seine Liebe zu New York auf eine einzigartige Weise festgehalten - von den Dächern der Wolkenkratzer aus.
Karsten, du bist 1995 nach New York gekommen - hattest du von Anfang an vor zu bleiben?
Ich bin damals regelrecht von Deutschland abgehauen. Nachdem ich mein Grafikdesign Studium in Stuttgart abgebrochen hatte, wollte ich eigentlich nach Rom und hatte mich dort für ein Stipendium beworben. Ich wollte eigentlich malen. Während ich auf die Entscheidung wartete, bin ich mit einem Freund erstmal nach New York und habe mich sofort in die Stadt verliebt.
Was hast du dann zunächst in New York gemacht?
Ich habe erstmal gemalt und auch relativ schnell die ersten Bilder verkauft. Ich musste aber noch einmal nach Deutschland zurück und kam kurz darauf mit zwei Taschen, einer Gitarre und 500 Dollar in der Tasche zurück - mit der festen Absicht zu bleiben. Zunächst bin ich als Tourist ein- und ausgereist, was eine Weile gut ging, bis mir irgendwann bei der Einreise im Herbst 1998 dringend nahegelegt wurde, meinen Aufenthaltsstatus zu regeln. Meine damalige Freundin war mit mir im Taxi und auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt haben wir spontan beschlossen zu heiraten. Im Oktober 1998 war ich dann sehr beschäftigt, meine erste Ausstellung im Deutschen Konsulat vorzubereiten und im Dezember 1998 haben wir geheiratet.
Was fasziniert dich an New York? Was inspiriert dich als Künstler?
Ich bin im Schwarzwald in einem kleinen Städtchen aufgewachsen und habe in die dortige recht strukturierte Lebensweise nie so wirklich reingepasst. In New York konnte ich das erste Mal wirklich ich selbst sein. Ich konnte mich neu erfinden, eine neue Sprache lernen, ich hatte keinen Staat, mit dem ich mich identifizieren musste... Allerdings bin ich nie Amerikaner geworden und bin nach wie vor stolz, Deutscher und Europäer zu sein.
Warst Du schon als Kind so kreativ?
Ich bin nie gefördert worden, denn unsere Familiengeschichte war nicht einfach. Meine Eltern sind früh verstorben und mein Bruder und ich wuchsen in verschiedenen Familien auf und durften uns kaum sehen. Ich habe also damals in gewisser Weise auch meinen Bruder verloren. So eine Geschichte zu verarbeiten und in Kreativität umzuwandeln - das war nicht einfach, aber die Kunst hat mir durch diese schweren Zeiten geholfen. Ich habe jahrelang versucht, den Kontakt zu meinem Bruder zu halten, aber einige Leute stellten sich zwischen uns und ich musste ihn irgendwann gehen lassen. Wir lernen uns gerade wieder neu kennen und arbeiten die Vergangenheit auf.
Deine eigene Lebensgeschichte hat Dich sicherlich sehr geprägt. Meinst du, dass du den gleichen Erfolg gehabt hättest, wenn du in Deutschland geblieben wärst?
Vermutlich nicht, obwohl Erfolg natürlich relativ ist. Ich habe eine andere Perspektive über mich selbst als andere Leute mich sehen. Ja, ich lebe in “crazy worlds” und komme mit vielen berühmten Leuten in Kontakt. Aber ich bin immer noch der Karsten. Ich weiss sehr wohl, wer ich bin und wo ich herkomme und bin sehr dankbar für meine Wurzeln.
Ich kann mir vorstellen, dass es als Künstler heutzutage wichtiger ist denn je, nicht nur seine Arbeit zu verkaufen, sondern auch sich selbst. Wie ist das bei dir?
Es fällt mir nach wie vor schwer, mich selbst zu verkaufen und ich hoffe immer, dass meine Arbeit für sich selbst spricht. Zum Glück habe ich inzwischen viele Kontakte und einen gewissen Namen in der Branche, so dass ich immer beschäftigt bin. Das Schöne ist, dass seit einigen Jahren vieles über Empfehlungen läuft.
Bist du so auch an dein großes Projekt mit der Band Foreigner gekommen?
Ja, ein Freund arbeitete mit Bandgründer Mick Jones an einem Orchester Projekt und ich wurde hinzugezogen. Ein paar Wochen später war ich auf dem Weg nach Luzern in der Schweiz und anschließend auf Tournee in Deutschland. Es war eine so tolle Erfahrung, mit einer Rock Band auf Tour zu sein und sie mit Film und Foto zu dokumentieren.
Was sind momentan deine Hauptprojekte?
Ich habe natürlich New York Love Story (→www.newyorklovestory.com), eine Kollektion von Bildern von den Dächern von New York. Momentan bin ich kaum noch in der Höhe unterwegs, aber ich habe so viel Material und plane daraus einen Film zu produzieren. Weiterhin bin ich sehr beschäftigt mit Filmen und Projekten für Foreigner. Da gibt es noch sehr viel Material, das verarbeitet werden muss. Und ich bin involviert in dem Projekt “The Way of the Rain” (→www.thewayoftherain.org).
Du bist auf über 100 Dächern unterwegs gewesen für deine Bilder. War das manchmal gefährlich? Gibt es ein ein paar Lieblingsplätze?
Gefährlich? Mit Sicherheit! Es kommt wahrscheinlich darauf an, wen du fragst. Ich bin sehr präsent auf den Dächern, frei und happy. Und es gibt einige Gebäude, an die ich gern zurückdenke. Es war immer wieder ein aufregender Moment, Zugang zu Gebäuden zu bekommen, auf die normalerweise niemand kommt oder freiwillig hinauf will. Besonders intensiv erinnere ich mich daran, mit einem Fensterputzer an einem 65-stöckigen Gebäude zu hängen.
Wo kann man deine Bilder sehen?
Einige Bilder meiner großen Installation sind noch bei 28 Liberty und ein Teil davon inzwischen im MANHATTA Restaurant im 60. Stock und ich arbeite gerade an einer Installation für eine digitale Wand. Weiterhin plane ich für dieses Jahr auch eine Ausstellung in Deutschland.
Mehr Info auf http://karstenstaiger.com